Tief hängende Wahlplakate können buchstäblich ins Auge gehen, gerade Menschen mit Sehbehinderung sind gefährdet.
Von Annette Clauß, Fellbacher Zeitung
Titelbild: Dieses Plakat in Fellbach hängt deutlich zu tief. Fotografiert hat es die Vorsitzende des Fellbacher Seniorenrats, Roswitha Morlok-Harrer.
Rems-Murr-Kreis. Wenn Politiker Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe begegnen, ist das grundsätzlich löblich. Allerdings nicht, wenn sie das in Form eines Wahlplakats tun, das in so niedriger Höhe am Masten befestigt ist, dass es zum Hindernis und zur Gefahr für Fußgänger und Radfahrer wird. Besonders tückisch sind solche tief hängenden Plakate für Menschen, die sehr schlecht oder gar nicht sehen.
Gerd Widmann kennt das Problem nur zu gut. „Die Plakathänger sind alles Menschen mit einer Körpergröße von unter 1,50 Metern, die können die Plakate einfach nicht höher hängen“, scherzt Gerd Widmann, auch wenn er die Situation eigentlich kein bisschen witzig findet. Seit 15 Jahren leitet der Mann aus dem Raum Winnenden die Bezirksgruppe Rems-Murr des Blinden- und Sehbehindertenverbands Württemberg – und ärgert sich bei jeder Wahl aufs Neue über solche Gefahrenstellen. Als eine davon sei in der Vergangenheit immer wieder die Waiblinger Bahnhofstraße aufgefallen, sagt Gerd Widmann: „Bei den Europawahlen im vergangenen Jahr gab es öfter Beschwerden.“
Zuständig seien da die Kommunen, berichtet Widmann, der bedauert, dass die meisten Menschen sich seiner Erfahrung nach in solchen Fällen zu spät melden – dann, wenn der Wahltermin schon vorbei sei: „Das sollten sie früher tun.“ Bei der aktuellen Wahl habe es bisher keine Beschwerden über zu tief hängende Plakate am Straßenrand gegeben, heißt es vonseiten der Stadt Waiblingen. Wer Hinweise darauf habe, sollte sich an die Abteilung Ordnungswesen der Stadtverwaltung wenden. Werde bei einem Plakat die festgelegte Mindesthöhe unterschritten, heißt es „werden die Parteien zur Korrektur oder Entfernung der Wahlplakate aufgefordert“. Eine (Geld-)Strafe ist nicht vorgesehen.

Was die Mindesthöhe angehe, richte man sich nach den Regelungen der gültigen Straßenverkehrsordnung. Die sieht auf Gehwegen eine lichte Höhe von mindestens zwei Metern und auf Radwegen eine lichte Höhe von mindestens 2,20 Metern vor. „Die allgemeingültige Mindesthöhe ist bundeseinheitlich in der Straßenverkehrsordnung geregelt“, so die Waiblinger Verwaltung.
Auch in Fellbach ärgert sich Roswitha Morlok-Harrer bei jeder Wahl über die Plakatierung, dieses Mal zu Beispiel im Bereich der nördlichen Bahnhofstraße. Dort hänge „ein Plakat so tief wie das andere – von den verschiedensten Parteien“, klagt die Vorsitzende des Stadtseniorenrats: „Da kann es jederzeit passieren, dass ein sehbehinderter Mensch gegen ein Plakat läuft und sich verletzt. Auch Fahrradfahrer haben es durch tief hängende Plakate schwer.“ Bereits im vergangenen Jahr habe der Seniorenrat eindringlichst darauf hingewiesen. „Genützt hat dies jedoch nicht viel oder gar nichts.“